„Gegen Demokratie“ von Jason Brennan – Ein Kommentar

„Wir bräuchten einen kompletten Systemwechsel, in denen Regierungen herrschen, die rein logisch, gemessen am Gemeinwohl, handeln und interagieren. Es sollte als oberste Prämisse immer das Gemeinwohl gelten. Erst danach sollten Aspekte wie Effizienz, Logik und Fortschritt in den Entscheidungsprozess mit einfließen, denn die Menschen und dieser Planet sollten uns immer am aller wichtigsten sein.“

Wir leben heute in revolutionären Zeiten. Wir stehen kurz vor dem 2. Maschinenzeitalter, in dem die künstliche Intelligenz den Menschen von jeder Arbeit befreien wird, die algorithmisierbar ist. Und das werden sehr, sehr viele Menschen sein. Wir stehen also so oder so vor einem extremen Umbruch der Gesellschaft. Die heutige Lohn- und Leistungsgesellschaft wird es bald so nicht mehr geben. Wenn knapp 45% der Menschen in den nächsten 25 Jahren ihre Jobs verlieren, wird es nicht mehr möglich sein Arbeit zu besteuern, womit dann die wichtigste Steuer des Staates weg fällt: Die Einkommenssteuer. Ich muss also betonen, dass sich die (a)soziale Marktwirtschaft in Deutschland und der Kapitalismus weltweit kurz vor seinem logischen Ende befinden. Heute geht es mir aber nicht um die Ideen und Maßnahmen die dringend nötig wären in der Zukunft, sondern um den steinigen Weg dahin und wieso der Weg überhaupt so steinig ist.

Was sich dringend ändern muss auf diesem Planeten, wissen wir im Grunde alle sehr gut, doch trotzdem geschieht nichts. Wir verfügen über genügend Vernunft, Wissenschaft und Technologie um zu erkennen, das wir weltweit so nicht mehr weiter machen können, ohne katastrophale Konsequenzen davon zu tragen. Und das in Bezug auf alle wichtigen Themen: Klimawandel, Kapitalismus, Corona, Rechtsruck, Digitalisierung, Armut und Hunger, Extremismus, Menschenrechte, Kriege… usw..

Das größte Problem der Gegenwart ist Macht. Die Macht der Entscheidungsorgane, die weder logisch noch human handeln, sondern lediglich nach Individualinteressen die mal so und mal so sein können. Generell denken Politiker nur von einer Legislaturperiode bis zur nächsten. Es geht den Parteien einfach nur um Machterhalt. Genauso geht es den Kapitalisten mit dem Geld. Es werden also extrem wichtige Entscheidungen, die sich auf die gesamte Menschheit auswirken, auf Eis gelegt, nur damit bestimmte Aktienkurse verschiedener Branchen nicht sinken. Manchmal ist es die Waffenlobby, manchmal die Kohlelobby, manchmal die Pharmaindustrie, manchmal die Immobilienbranche wie 2008. Die Individualinteressen sind vielfältig und groß und kommen von allen Seiten. Die gesamte Menschheit beschließt seine nächsten Schritte momentan weder nach logischen, noch nach objektiven Kriterien und erst recht nicht einheitlich und human. Wir bräuchten einen kompletten Systemwechsel, in denen Regierungen herrschen, die rein logisch, gemessen am Gemeinwohl, handeln und interagieren. Es sollte als oberste Prämisse immer das Gemeinwohl gelten. Erst danach sollten Aspekte wie Effizienz, Logik und Fortschritt in den Entscheidungsprozess mit einfließen, denn die Menschen und dieser Planet sollten uns immer am aller wichtigsten sein.

Wenn ein Boot langsam sinkt, sollten also alle Insassen logischer Weise zusammen das Wasser aus dem Boot schöpfen, um nicht unterzugehen. In dem Boot sitzen allerdings auch Leute, denen es wichtiger ist, die Zeit die Ihnen bleibt zum Sonnen oder Bier trinken zu nutzen, anstatt sich der Realität zu stellen. Das das Boot nach dem sinken niemand mehr benutzen kann und auch alle anderen mit unter gehen könnten, spielt für sie keine Rolle. Das ist im Grunde eine Skizze der Gesellschaft. Es gibt Menschen, die interessieren sich nicht für Menschen. Was tut man also, wenn Stumpf- und Starrsinn die vernünftige Entwicklung der Menschheit behindern? Genau darüber hat sich der Philosoph Jason Brennan Gedanken gemacht, die ich so ähnlich auch schon hatte. Die aktuell gelebte Demokratie ist viel zu langsam für das, was uns allen noch bevorsteht. Demokratie ermöglicht zum Beispiel, dass 49% einer Gesellschaft gegen 51% verlieren, auch wenn es dabei um völligen Schwachsinn geht. Das könnte in bestimmten Fällen katastrophales für die Gesellschaft bedeuten. Die heutige Demokratie ist also extrem inaktiv und ineffizient und berücksichtigt dabei auch nur teilweise den Willen des Wählers. Wieso tut man nicht, was getan werden muss? Wieso muss immer eine Mehrheit bestehen, bevor etwas geschieht? Und wieso nur eine bestimmte, willkürliche Mehrheit? Es gibt unendlich viele Verbote, Einschränkungen und Regeln die niemand wirklich mag, aber trotzdem alle akzeptieren, weil der gesunde Menschenverstand das eben so verlangt. Aber wenn es dann um Fleisch, Autos oder Geld geht, stecken alle den Kopf in den Sand. Weil das aber weder erwachsen, noch vernünftig ist, fühle ich mich dazu gezwungen das System, genau wie der Kollege Brennan, in Frage zu stellen. All diese Gründe brachten mich in Gedanken dann auch zur Demokratiekritik und Demokratietheorie.

Jason Brennan, ein interessanter, wirklich lesenswerter Philosoph aus den USA, beschäftigt sich mit Demokratietheorie, Ethik von Wahlen, Kompetenz und Macht, Freiheit und Moral in einer kommerziellen Gesellschaft. Sein Buch „Gegen Demokratie“ behauptet, dass die Wähler nicht informiert genug seien, um eine vernünftige Wahlentscheidung zu treffen, und diskutiert alternative Formen der Machtbildung, z.B. durch sogenannte „informierte Eliten“, die bei Wikipedia auch als „Philosophenherrschaft“ oder „Epistokratie“ bezeichnet werden.

In seinem Buch teilt Brennan die Gesellschaft in drei Kategorien. Hobbits, Hooligans und Vulkanier. Die Hobbits sind meist ungebildete Menschen, die kein Interesse an irgendwas haben, außer an sich selbst. Sie sollen die typischen Nichtwähler darstellen die von Tag zu Tag leben. Die Hooligans sind das absolute Gegenteil der Hobbits. Sie sind Menschen mit fester, verhärteter, ideologischer Meinung, die nur Medien konsumieren, die ihre eigene Meinung bestärken und bestätigen. Sie haben ihre klaren Feindbilder und wählen aus reiner ideologischer Verpflichtung heraus. Zu guter Letzt kommen die Vulkanier. Sie sind die idealen Wähler und im Grunde auch eigentlich die, die über alles entscheiden sollten, denn sie entscheiden rein objektiv, logisch und völlig frei von eigenen Interessen. In Brennan’s Theorie würde eine Expertenregierung nur aus Vulkaniern bestehen. Man wüsste dann, dass in den Parlamenten Menschen sitzen, die sich ausschließlich dem Gemeinwohl, der Logik und der Menschheit widmen. Lobbys aus der Wirtschaft werden dann keinen Einfluss mehr haben.

Ich denke das Problem an dieser Vorstellung bzw. Utopie bleiben die Hobbits und die Hooligans, die wohl niemals damit einverstanden wären, ihre Individualbeschwerden hinten anzustellen. In einer funktionierenden Epistokratie müsste man wohl vorher erstmal testen, wer überhaupt ein Vulkanier ist. Man müsste also Intelligenz, Intellekt, Emotionen und Empathie testen, um auszuschließen, dass irgendwelche Psychopathen im Parlament landen, wie es heute leider häufig der Fall ist. An die Macht kommen heute Leute mit Beziehungen, Geld, Status und Glück. Courage und Kompetenz sind ganz selten an den richtigen Stellen zu finden. Man schaue sich die Minister in den ganzen westlichen Ländern an. Kaum ein Minister hat vorher einen Beruf aus der Branche seines Amtes gelernt. Gesundheitsminister Spahn ist zum Beispiel Banker. Ich frage mich also, wieso man nicht die Menschen entscheiden lässt, die wissen was das Beste ist? Ich finde Demokratietheorie enorm spannend und freue mich über rege Diskussionen. Ich hinterlasse euch hier ein spannendes Interview mit Jason Brennan und einen Link welcher euch die Epistokratie nochmal genau erklärt.

Hier könnt ihr das Buch kaufen: Gegen Demokratie – Jason Brennan

Jason Brennan über sein Buch:

Über Epistokratie:
Wikipedia über Philosophenherrschaft (Epistokratie)

Schalom,
Schlomo Goldbaum

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