Große und kleine Politik: Beispiel Schuldenbremse – Ein Gastkommentar

Politik wird in Deutschland an verschiedenen Stellen gestaltet und „gemacht“. Im Bundestag geht es um die „großen“ Gesetze.

Ein aktuelles Beispiel hierfür:

Die neue Bundesregierung will das Werbeverbot für Abtreibungen aus dem Strafgesetzbuch streichen, damit Frauen sich besser und sachgerechter über Schwangerschaftsabbrüche informieren können. Die SPD, Grüne, FDP und DIE LINKE unterstützen das; CDU und AfD sind dagegen.

In den Bundesländern, auf Kreisebene und über die Kommunalpolitik in den Städten und Gemeinden werden ebenfalls politische Entscheidungen getroffen. Diese sind aber nicht unwichtiger. Wenn in einer Gemeinde z. B. eine zusätzliche Straßenlaterne angeschafft wird, dann bedeutet das mehr Sicherheit und damit mehr Lebensqualität für die Bewohner des Dorfes.

Verarscht uns die Politik? Ein Blick auf die Schuldenbremse.

Wir können fast täglich feststellen, wie sich viele Politiker öffentlich mit ihren Erklärungen in Sachen Schuldenbremse winden; diejenigen, die uns vor der Bundestagswahl immer wieder erzählt haben, wie wichtig die Schuldenbremse für uns alle ist und dass man die Schuldenbremse auf keinen Fall abschaffen darf.

Das waren fast alle im Bundestag vertretenen Parteien: Die CDU, die SPD, Bündnis 90 / DIE GRÜNEN und die FDP. Nur DIE LINKE war und ist gegen die Schuldenbremse und das schon seit sie 2009 beschlossen wurde.

Versprechen gebrochen?

Aber jetzt haben die Parteien der Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP ein Problem und auch die CDU. Aber jeder von beiden hat ein anderes.

Die Ampelparteien haben sich am 27.01.2022 mit ihrer Mehrheit im Bundestag einen 60-Milliarden-Spielraum für Investitionen in Klimaschutz bewilligt und verschieben diese Milliarden in den sogenannten Energie- und Klimafonds. Sie haben sich damit selbst erlaubt, die Regeln und Vorschriften der Schuldenbremse auszuhebeln. Denn sie alle hatten Wahlversprechen gemacht, die sehr viel Geld kosten.

Aber, dass die Wahlversprechen der Ampelparteien nicht ohne neue Schulden erfüllt werden können, das war jedem klardenkenden Menschen auch schon im Wahlkampf zur Bundestagswahl bekannt.

Und was ist das Problem der CDU?

Die CDU ist jetzt in der Opposition und findet für ihre Ideen keine Mehrheit mehr im Bundestag. „Opposition ist eben Mist“ wie schon SPD-Herbert-Wehner vor vielen Jahren festgestellt hat.

Spannend ist aber jetzt die Kehrtwende der CDU. Sie hält das, was die Ampelkoalition beschlossen hat, für verfassungswidrig und will mit einer sogenannten Normenkontrollklage dagegen angehen. Dabei hatte die CDU, als sie noch, zusammen mit der SPD, Regierungspartei war, sich den Kreditspielraum der Regierung auf ähnliche Art und Weise erheblich vergrößert.

Es soll hier nicht darum gehen, die Politik allgemein abzuwatschen.

Aber trotzdem ist die Frage erlaubt, warum sie so sehr an der Schuldenbremse festhalten wollen, wenn sie doch gleichzeitig Lücken suchen, um dringend notwendige Investitionen zu tätigen? Damit wären wir bei der Frage, welche Auswirkungen, welche Zielrichtungen mit der Schuldenbremse verbunden sind und welche Methode hinter der Schuldenbremse steht.

Die Schuldenbremse trägt mit dazu bei, die Kosten der Immobilien- und Bankenkrise von 2007/2008 auf die Allgemeinheit abwälzen und die Krisenverursacher letztendlich zu schonen.

Wir erinnern uns: Damals waren viele Banken dadurch in Not geraten, dass Immobilienkredite, die die Banken leichtfertig gewährt hatten, nicht mehr „bedient“ wurden. Anders ausgedrückt: Die Hausbesitzer konnten den Abtrag und die Zinsen für Ihre Kredite nicht mehr bezahlen. Banken drohten bankrott zu gehen. Das weltweite Finanzsystem stand nach Ansicht von Ökonomen vor dem Zusammenbruch.

Und immer, wenn die Marktwirtschaft mit ihrer Kapitalverwertung in Bedrängnis kommt, wird nach dem Staat gerufen, auf den man sonst so gerne verzichten möchte. Technokratisch orientierte Ökonomen verbreiteten deshalb zusammen mit den Neoliberalen, dass man die Finanzkrise eindämmen könne, wenn durch Staatsverschuldung und Bürgschaften reicher Länder ein Bankrott von Privatbanken vermieden werden kann. Der Staat – auch der deutsche Staat – kam und half mit Krediten in Milliardenhöhe.

Nach der ersten Aufregung über die Krise wurde in der Öffentlichkeit die Frage aufgeworfen, wer denn nun für die Krise verantwortlich sei und haften müsse.

Die Marktwirtschaft konnte es nach Ansicht der Neoliberalen nicht sein, denn aus ihrer Sicht ist der Markt mit seinen Entscheidungen unfehlbar. Er sorge für die besten Ergebnisse. So sagt es ihre Ideologie zur Begründung der Marktwirtschaft.

Das Finanzsystem mit seinen neoliberalen Freiheiten und Handlungsspielräumen sollte nicht groß angetastet werden. Deshalb musste ein anderer Weg gefunden werden. In diesem Zusammenhang ist die Schuldenbremse sehr nützlich. Die Freiheit des (Finanz-)Marktes wird nicht eingeschränkt.

Im Gegenteil: Die Schuldenbremse zwingt die Parlamente dazu, sich vorrangig nach den Kriterien des Schuldenmanagements auszurichten. Ob eine Ausgabe, die sich langfristig rechnet und politisch sinnvoll ist, überhaupt getätigt wird oder nicht, das richtet sich immer öfter nach wirtschaftlichen und nicht nach politischen Rendite-Kriterien.

Wohl dem, der die Schuldenbremse umgehen kann.

Peter Banko, 01.02.2022

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