Die Bestellung
Ich starrte ohne zu blinzeln in Richtung Eingang.
„Willkommen in Steve’s Diner. Was kann ich für Sie tun, Sir?“
Die Stimme der Kellnerin riss mich aus meinen Gedanken.
„Hallo. Einen Kaffee bitte, mit viel Milch, aber ohne Zucker. Danke“, antwortete ich und lächelte gezwungen.
Die Kellnerin nickte, steckte ihren Notizblog ein und ging wieder.
Gerade als mein Blick wieder zum Eingang schweifte, sah ich einen jungen Mann mit Lederjacke und kurz geschorenen Harren zügig auf mich zukommen. Er setzte sich mir gegenüber an den gleichen Tisch und schaute mir tief in die Augen, ohne etwas zu sagen.
„Hier ist ihr Kaffee, Sir.“
Die Kellnerin stellte meinen Kaffee auf den Tisch und schaute dann den jungen Mann an.
„Guten Tag, Sir. Willkommen in Steve’s Diner. Was kann ich Ihnen bringen?“
„Nichts, danke“, sagte er mit einer abweisenden Handbewegung.
Die Kellnerin nickte und ging.
Ich lehnte mich zurück, nahm vorsichtig einen Schluck von meinem heißen Kaffee und schaute dem Typen direkt in die Augen. Ich wollte keinen ängstlichen Eindruck machen, weshalb ich mich darauf konzentrierte gefasst zu wirken.
„Guten Tag, Dr. Lewinsky. Mein Name ist Duke Frenzen. Es freut mich sie kennenzulernen.“
Ich nickte ausdruckslos.
„Offensichtlich ist meine Nachricht ja bei Ihnen angekommen. Ich hoffe, dass sich mein Kollege in Ihrer Praxis nicht daneben benommen hat.“
Ich starrte ihn immer noch ausdruckslos an und schlürfte meinen Kaffee ohne etwas dazu zu sagen.
„Ich verstehe schon, sie sind wütend. Das kann ich absolut nachvollziehen. Aber wissen sie, das Schicksal kann man sich nicht aussuchen, nicht wahr? Unser beider Schicksal hat uns in diese Situation manövriert. Ich finde, wir sollten jetzt das Beste daraus machen, nicht wahr?„
Er grinste und lehnte sich über den Tisch, um nicht so laut reden zu müssen. Ich schaute ihn weiterhin stoisch schweigend an und hielt mich an meiner Kaffeetasse fest. In mir spürte ich eine Mischung aus Wut und Angst, die mich stark daran hinderte klare Gedanken zu fassen.
„So, kommen wir zum Geschäft. Sie wissen ja sicher in welcher Branche wir tätig sind. Sie werden uns jede Menge Medikamente besorgen, denn wir haben jede Menge Kunden. Wir brauchen vor allem Oxycodon und Fentanyl. Die Oxy’s am Besten immer als 40- und 80mg Tabletten ohne Retardierung. Benzodiazepine wie Xanax, Clonazepam und Diazepam auch in Tablettenform. Das Fentanyl brauchen wir möglichst flüssig in Ampullen, Pflaster nur im Notfall. Sie bekommen 15% Gewinnbeteiligung auf alles – auf das Fentanyl sogar 25% wenn es flüssig ist. Sie bekommen wöchentlich eine Liste auf der steht, was wir neu brauchen. Verstanden?“
Dieser Duke schaute mir erwartungsvoll in die Augen.
„Willst du mich verarschen?“, fragte ich und starrte ihn an.
„Wie verarschen? Wie meinen Sie das?“
Ich trank den letzten Schluck Kaffee aus und knallte die Tasse danach so kräftig auf den Tisch, dass Duke vor Schreck in sich zusammenzuckte. Dann lehnte ich mich auch über den Tisch und schaute Duke tief in die Augen. Unsere Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt.
„Sag mal bist du so blöd, oder tust du nur so? Was soll denn hier für mich in Ordnung sein? Hab ich irgendeine Wahl? Ihr erpresst mich mit einer Toten der ich helfen wollte, um Drogen von mir zu bekommen. Was zur Hölle soll daran für mich in Ordnung sein? Idiot!“, flüsterte ich zischend mit zusammengepressten Lippen in Dukes Gesicht.
Es vergingen zwei oder drei Sekunden, bevor Duke verstand, was ich da gerade gesagt hatte. Gegenwehr war er offensichtlich nicht gewohnt. Er wühlte sich hektisch eine Zigarette aus der Innentasche seiner Lederjacke und zündete sie an.
„Alles klar. Ich habe verstanden. Ich wollte nur höflich sein. Samstag hast du alles was auf dieser Liste steht, verstanden? Um 19 Uhr rufe ich dich auf diesem Handy an und du wirst rangehen.“
Duke legte ein schwarzes, kleines Handy und einen gefalteten Zettel auf den Tisch.
„Dieses Handy wirst du jetzt immer bei dir tragen. Es ist eine Nummer darin gespeichert, über die du mich erreichen kannst. Auch die Bestellungen bekommst du in Zukunft auf dieses Handy. Also verliere es nicht“, sagte Duke, warf seine halb gerauchte Zigarette in meine Tasse, stand auf und ging ohne sich zu verabschieden.
Als ich wieder allein war, fiel die gesamte Anspannung von mir ab. Erst jetzt spürte ich, wie sehr ich geschwitzt hatte. Mein Hemd klebte an meinem Rücken, wie eine zweite Haut. Ich wusste nicht, wie ich so schnell und vor allem so viele Medikamente herbekommen sollte. Ich konnte zwar Medikamente verschreiben, aber ich konnte sie nicht massenhaft besorgen. Es musste also schleunigst ein Plan her, um mich aus dieser Situation zu befreien. Mir war klar, dass ich illegale Dinge tun musste, um die Forderungen der Drogenhändler bis Samstag zu erfüllen. Wohl oder übel musste ich auf meine alten Kontakte in Portland zurückgreifen.
Bruno Nowak
Als ich wieder in der Praxis war, ging ich in mein Büro, schloss hinter mir die Tür ab und ließ mich in meinen Ledersessel fallen. Ich atmete tief durch und spürte, wie in mir das Verlangen nach Opioiden größer wurde. Ich hatte mir zwar am morgen die übliche Dosis Dilaudid gespritzt und auch schon zwei Tabletten geschluckt, aber die Begegnung mit diesem Duke triggerte mein Verlangen nach Entspannung und innerer Geborgenheit enorm. Ich ging also zum Betäubungsmittel-Safe und zog mir 8mg Hydromorphon auf in eine Spritze. Danach setzte ich mich wieder in meinen Sessel, krempelte meinen linken Ärmel hoch und spritzte mir das Hydromorphon.
Ich lag mit geschlossenen Augen da und genoss die Wirkung des Opioids. Die innere Ruhe und Geborgenheit die mir fehlte, war urplötzlich wieder da. Alles wirkte nicht mehr so bedrohlich und beängstigend. Ich fühlte mich wieder leichter und freier. Ich konnte meine Gedanken ordnen und neue Energie tanken.
In meiner Assistenzarzt Zeit in Portland führte ich einen sehr unsoliden Lebenswandel. Ich schlief wenig, nahm ohne Ende Drogen und zog neben der Arbeit, mit meinem alten Freund Bruno Nowak, kriminelle Geschäfte durch. Bruno kannte ich seit dem Kindergarten. Als wir Kinder waren lebte er mit seinem Vater auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Wir waren immer die besten Freunde und sorgten schon damals für jede Menge Ärger. Später trennten sich unsere Wege. Ich ging studieren und Bruno fing an mit Drogen zu dealen, was ihn ziemlich schnell in den Knast brachte. Als er wieder rauskam, war ich gerade fertig mit dem Studium und fing an als Assistenzarzt in der Notaufnahme vom OHSU, dem Uniklinikum in Portland, zu arbeiten. Bruno und ich verbrachten natürlich direkt wieder viel Zeit miteinander. Natürlich konnte Bruno es nicht lassen und fing wieder an mit Drogen zu dealen, diesmal sogar mit meiner Hilfe. Ich lies mich überreden und besorgte ihm kistenweise Ketamin aus dem Krankenhaus. Ketamin wurde nicht als extra zu sicherndes Betäubungsmittel geführt. Meistens stand das Ketamin als Vorrat in zwei verschiedenen Potenzen in den Lagerräumen der Notaufnahme und der Intensivstationen. Bruno trocknete das flüssige Ketamin in seiner Badewanne, bis nur noch das Hydrochlorid übrig blieb. Das konnte man perfekt nasal, aber auch intravenös konsumieren. Ketamin war in der Party Szene von Portland der absolute Hit. Bruno verkaufte in guten Wochen Ketamin im Wert von 20.000$. Ich hatte immer noch Geld übrig von damals.
Nachdem ich ein paar Minuten nachgedacht hatte, entschloss ich mich dazu Bruno anzurufen. Ich hatte keine andere Wahl. Weder die Polizei, noch Denise, die ich gerade mal ein paar Tage kannte, konnten mir in dieser Situation helfen. Ich brauchte dringend die Hilfe von Bruno. Also nahm ich mein Handy und rief ihn an.
„Ja, hallo?!“, dröhnte es aus meinem Telefon.
„Hey, Bruno, bist du es?“
Ich konnte im Hintergrund laute Musik und viele Stimmen hören.
„Wer ist denn da?“
„Bruno, ich bin es, Louis!“, sagte ich sehr laut und deutlich in mein Telefon.
„Louis?! Hey, Louis, du Schmock! Wie geht’s dir?“, antwortete Bruno, während die Hintergrundgeräusche ein bisschen leiser wurden.
„Naja, mir geht’s den Umständen entsprechend gut. Deswegen rufe ich dich auch an, wegen den Umständen, verstehst du.“
„Wegen den Umständen? Bist du jetzt eine Frau? Ich check’s nicht.“
„Nein du Dödel. Es gibt Umstände, die dafür sorgen, dass es mir nicht gut geht. Aber diese Umstände würde ich dir nur sehr ungern hier am Telefon erläutern.“
„Du steckst also in der Scheiße und brauchst meine Hilfe?“
Ich hörte an seiner Stimme, dass er genervt war.
„Hey, dass ist kein Scherz Bruno. Nenn es wie du willst, aber ich brauche wirklich dringend deine Hilfe“, sagte ich jetzt in ernsterem Ton, in der Hoffnung er würde langsam verstehen, dass es sich um eine dringende Angelegenheit handelte.
„Verstehe. Wie tief steckst du denn in der Scheiße?“, antwortete Bruno, diesmal auch mit ernster Stimme.
„Sehr tief.“
„Das klingt nicht gut…“, sagte er und machte eine kurze Pause, „…aber wolltest du nicht eigentlich dein Leben in den Griff bekommen und bist deswegen von uns allen weggezogen? Sagtest du nicht auch, ich hätte einen schlechten Einfluss auf dich? Und das ich mit daran Schuld war, dass Fiona und Sara dich verlassen haben?“
Was sollte ich darauf bloß antworten, ohne ihn zu verärgern, aber auch ohne zu lügen. Natürlich hatten Drogen und Kriminalität einen schlechten Einfluss auf mein Leben, aber das Fiona, meine Ex-Frau, mich mit meiner Tochter Sara verlassen hatte, war nicht allein die Schuld von Bruno. Dafür gab es vielerlei Gründe. Ich war ein schlechter Vater, denn ich verbrachte die wenige Zeit, die mir neben der Arbeit noch blieb, lieber mit Bruno, als mit meiner Familie.
„Bruno, es tut mir leid. Du weißt wie schlecht es mir damals ging. Wenn ich Dinge gesagt habe, die dich verletzt haben sollten, tut mir das unendlich leid. Ich war nicht ich selbst. Ich bin ja nicht umsonst hierher geflüchtet. Ich brauche jetzt aber wirklich deine Hilfe. Die Hilfe von meinem besten Freund. Ich habe sonst keine andere Möglichkeit, Bruno“, sagte ich mit bebender Stimme.
Bruno schwieg. Ich hörte ihn schwer atmen und konnte förmlich spüren, wie er mit sich kämpfte.
„Soll ich zu dir kommen?“, fragte er plötzlich.
„Ja, bitte! Dann können wir alles besprechen. Danke Bruno!“
Mir fiel ein Stein vom Herzen, obwohl noch kein einziges Problem gelöst war.
„Ja, ja, spar dir das. Freu dich nicht zu früh. Erstmal besprechen wir alles, wenn ich da bin. Ich fahr heute Abend los. Ich fahre die Strecke über Salem, weil ich da sowieso noch was zu erledigen habe. Wo wohnst du jetzt genau?“
„Newport, Alpine Street 66. Ein blaues, dreistöckiges Holzhaus, direkt an der Küstenstraße. Du kannst auch direkt davor parken. Meine Praxis ist auch in dem Haus.“
„Alles klar, wir sehen uns dann heute Abend.“
Bruno legte direkt auf, ohne das ich mich verabschieden konnte. Er wahr sichtlich genervt, dass ich ihn mit dem „du bist mein bester Freund“-Anspruch um Hilfe bat. Mir war klar, dass ich einiges gut zu machen hatte. Nicht nur bei Bruno, sondern auch bei meiner Ex-Frau Fiona und meiner Tochter Sara.
Es war 21:30, als ich vor das Haus ging. Bruno musste eigentlich jeden Moment kommen. Es war kühl, aber nicht kalt. Es war diesig und die Luft war salzig. Ich zündete mir eine Zigarette an und genoss mal wieder den wunderschönen Sonnenuntergang direkt vor meiner Haustür.
Dann kam Bruno in seinem alten Pickup auf den Parkplatz gefahren. Der Pickup war an vielen Stellen sehr rostig und auf der Ladefläche lag jede Menge Müll, Bierdosen, Werkzeuge, Holzbalken und Teile eines alten Motorrads. Aus dem Auspuff kamen schwarze Rauchwolken, die sogar den schönen Geruch des Meeres eliminierten. Es roch nach Diesel und Öl. Bruno stellte den Motor ab, steckte den Schlüssel in den Sonnenschutz und stieg aus. Er schaute zu mir und kam auf mich zu.
„Hey, Louis!“, rief er und schlenderte auf mich zu, während er sich eine Zigarette anzündete.
Bruno hatte hellblondes, zurückgekämmtes Haar, trug ein dunkelrotes Hemd und eine goldene Kette mit Davidstern um den Hals. Eigentlich war er überhaupt nicht religiös, aber er hasste Antisemiten. Mit dieser Kette konnte er sie entlarven und sich ihnen annehmen. Bruno war mit Abstand der stärkste und mutigste Mensch den ich kannte. Er war unfassbar direkt und kompromisslos, hatte vor nichts und niemandem Angst und er gab nie auf. Er war ein absoluter Dickkopf, der lieber besiegt wurde als zu flüchten. Genau so einen Menschen brauchte ich jetzt an meiner Seite, wenn ich mit diesen Drogendealern verkehren muss.
„Hey, Bruno!“, antwortete ich und wir umarmten uns.
Er roch nach Schnaps und Zigaretten.
„Es ist schön dich zu sehen, auch wenn die Umstände nicht die optimalsten sind“, sagte ich.
„Ja, ich freue mich auch dich zu sehen. Schickes Haus hast du hier. Vor allem die Aussicht ist der Wahnsinn.“
„Danke. Ich habe das Haus und die Praxis von meinem Vorgänger übernommen“, sagte ich, legte einen Arm um Bruno und ging mit ihm zum Haus, „du kannst jetzt erstmal hier mit mir wohnen. Ich habe mehr als genug Platz. Komm mit, ich zeige dir alles.“
Später am Abend saßen wir dann in meinem Wohnzimmer auf der Couch, schauten aus dem Fenster über das Meer, rauchten ein bisschen Gras und tranken zur Feier des Tages einen guten Whisky.
„Jetzt erzähl mir erst mal, was dein Problem ist, Louis. Wofür bin ich jetzt hierher gekommen. Bestimmt nicht wegen dem Ausblick und dem Whisky?“
Bruno lehnte sich zurück und schaute mich erwartungsvoll an.
„Direkt am ersten Tag, als ich hier ankam, stand hier eine junge Frau. Sie hieß Miriam Kreiger. Sie war eine Heroinsüchtige, die von dem hiesigen Drogenkartell dazu gezwungen worden war, mich um den Finger zu wickeln. Sie kam hier an, war super entzügig und schwach. Ich habe ihr Morphin gespritzt und meine Tabletten mitgegeben, ohne Rezept. Das hat sie alles heimlich mit einem Handy aufgenommen. Am nächsten Tag kam ein Bulle in die Praxis und erzählte mir, dass diese Miriam Kreiger erschossen am Strand lag. Ich habe abgestritten, dass ich sie kenne. Meine Pillen wurden komischer Weise nicht gefunden. Direkt danach kam dann ein Typ vom Drogenkartell zu mir in die Praxis und zeigte mir die Aufnahmen, die Miriam heimlich von mir gemacht hatte. Sie erpressen mich jetzt. Ich soll wöchentlich Medikamente abliefern, sonst geben sie die Aufnahmen der Polizei“, erzählte ich zügig und monoton.
„Ach du heilige Scheiße!“, sagte Bruno und kniff seine Augen zusammen.
„Das kannst du laut sagen, Bruno.“
Ich ließ den Kopf hängen und schnaufte laut.
„Das ist eine wirklich verzwickte Situation“, sagte Bruno nach einer langen Denkpause, „aber so wie ich das sehe, hast du eigentlich gar nicht so schlechte Karten.“
„Bitte?! Bist du bescheuert? Ich muss bis Samstag Drogen liefern, wenn nicht, ist mein Leben im Arsch!“, schimpfte ich und schlug vor Wut mit der Hand auf den Tisch.
„Aber genau da ist doch der Knackpunkt. Die haben das mit deinem Vorgänger bestimmt auch schon so gemacht und hängen sich jetzt an dich. Die brauchen dich auf jeden Fall als richtigen Arzt. Wenn du nicht da bist, haben die keinen Stoff. Die lassen es so aussehen, als würden sie dich fertig machen, wenn du nicht parierst, aber im Grunde hast du die Hosen an, oder sehe ich das falsch? Du hast den Rezeptblock und damit die Pipeline zu pharmazeutisch reinen Drogen.“
So hatte ich bis dato noch gar nicht darüber nachgedacht. So unrecht hatte Bruno nicht. Die Süchtigen standen schließlich direkt bei mir vor der Praxis, als ich neu eröffnet hatte. Es gab offensichtlich kaum Stoff in Newport und Umgebung. Deshalb war das Kartell auch so schnell bei mir, um große Flauten im Geschäft zu umgehen.
„Mh… ich verstehe was du meinst. Und wie lautet dein Plan?“, fragte ich.
„Sie werden dich auf jeden Fall nicht verpfeifen, da bin ich mir sicher. Ich würde sagen wir drehen den Spieß um.“
„Wie sollen wir das denn machen?“, fragte ich mit skeptischem Blick.
„Wir werden uns mit denen treffen und wir werden auch Stoff mitnehmen, natürlich nur so viel du besorgen kannst, ohne dich beruflich in Gefahr zu bringen. Und dann erklären wir denen mal, wie wir das alles sehen. Du musst mindestens 50% verlangen, denn du bist der, der alles beschafft. Wir werden sie vor vollendete Tatsachen stellen. Die werden sich dann bestimmt aufplustern und drohen, aber das ist alles heiße Luft, denn eigentlich wollen sie nur an deinen Stoff und dazu brauchen sie dich und deine Gunst – glaub mir, das wird funktionieren“, erklärte Bruno.
„Glaubst du die geben sich damit zufrieden?“
„Nein, natürlich nicht, aber was sollen sie machen? Ohne dich ist der Markt hier zur Zeit tot. Also Kopf hoch, durchatmen und gerade machen. Wir geben ab jetzt den Ton an!“, sagte Bruno und grinste.
Bruno war wieder voll in seinem Element.
„Okay, du hast recht. Angriff ist zur Zeit wohl die beste und einzige Verteidigung.“
„Genauso ist es. Samstag werden wir denen erklären wie der Hase läuft, glaub mir, es wird alles gut gehen.“
„Ich werde Denise damit beauftragen neue Betäubungsmittel für meine Praxis zu bestellen. So bekommen wir bis Samstag eine große Menge Medis. Sonst müsste ich unzählige Rezepte schreiben und wir müssten Apotheken abklappern – das wäre mit der Zeit auffällig und auch sehr aufwendig“, erklärte ich Bruno.
„Ja, im Grunde ist es egal wie viel, weil wir die Wunschmenge sowieso nicht erfüllen können. Hauptsache die sehen, dass du überhaupt liefern kannst. Weniger Gewinn ist eben immer noch Gewinn. Diese Typen brauchen dich unbedingt. Mit dem Fentanyl strecken sie das Heroin um ein vielfaches und machen damit unfassbaren Gewinn.“
„Ja, das Fentanyl ist denen am wichtigsten. Die haben mir für flüssiges Fentanyl sogar 25% Gewinnbeteiligung versprochen“, sagte ich und grinste.
Bruno lachte laut.
„25%… die werden sich noch umschauen. Die sollen froh sein, wenn wir überhaupt mit denen kooperieren.“
Es war erstaunlich wie schnell Bruno „wir“ sagte. Dafür liebte ich ihn. Er nahm sich meinen Problemen an, als wären es seine. Ich hoffte, dass Bruno und ich uns nicht in neue Probleme hinein manövrieren würden. Mir war klar, dass Bruno versuchte Kapital aus dieser Angelegenheit zu schlagen, aber das war mir recht, solange er mir dabei half, wieder mein normales Leben fortführen zu können.
So läuft der Hase
Als ich am Samstagmorgen die Treppen runter kam, sah ich im Praxisflur die Tür zu meinem Büro offen stehen. Ich hörte wie Denise und Bruno in meinem Büro über irgendetwas redeten.
„Guten morgen!“, sagte ich und lächelte, während ich zur Kaffeemaschine ging, um mir einen Kaffee zu machen.
„Guten morgen, Louis“, antworteten beide synchron.
„Was macht ihr hier schon so früh?“, fragte ich und schaute dabei beide abwechselnd an.
„Ich bereite nur schon mal ein paar Sachen vor für unser Treffen heute Abend“, sagte Bruno und grinste.
„Denise und ich haben doch gestern schon alle Medis in die Sporttaschen gepackt, was hast du denn noch vorbereitet?“, fragte ich und kam den beiden etwas näher.
„Ach, nur ein paar Absicherungen für alle Fälle“, sagte Bruno und zog eine graue Decke vom Tisch.
Auf dem Tisch lagen 4 Pistolen und mehrere Springmesser. Zwei Pistolen waren mit Schalldämpfern ausgestattet.
„Was zur Hölle soll das, Bruno? Bist du wahnsinnig?“, brüllte ich wütend.
„Hey, komm runter. Das sind alles meine Waffen, alle legal, nur zur Verteidigung. Wenn du meine Hilfe willst, dann machen wir es auf meine Weise. Diese Typen haben sich mit den Falschen angelegt und das werden sie zu spüren bekommen!“, sagte Bruno.
„Bruno, ich bitte dich, mach keinen Mist heute Abend, okay?“
„Bleib locker. Du hast das falsche Mindset, Louis. Du bist die Quelle und die wollen dich anzapfen. Das geschieht nur unter deinen Bedingungen, verstehst du?“
Ich schlürfte meinen Kaffee, drehte mich zum Fenster und schaute auf das Meer hinaus.
„Ja, ich verstehe was du meinst. Du hast natürlich recht. Ich hasse diese Typen auch wie die Pest. Am wichtigsten sind mir eigentlich die ganzen Drogenabhängigen, die von diesen miesen Wichsern wie Dreck behandelt werden. Die bekommen immer nur gestreckten Mist, weil es hier keine Ärzte gibt, die Süchtige vernünftig substituieren. Das Medical Center in Newport behandelt Junkies gar nicht. Ich habe manchen Süchtigen schon Opioide verschrieben und mir eine Diagnose ausgedacht, damit die Versicherungen und die DEA nicht meckern. Hier muss sich dringend etwas ändern“, sagte ich, während ich mir eine Zigarette anzündete.
„Ganz genau, so gefällst du mir besser“, antwortet Bruno und lächelte.
„So ihr beiden, ich wünsche euch heute Abend viel Glück. Wir sehen uns Montag in alter Frische. Schönes Wochenende!“, sagte Denise und ging nachhause.
Um 17:00 Uhr bekam ich dann einen Anruf auf das kleine Handy. Es war Duke.
„Hey Louis. Hast du alles für heute Abend?“, fragte er in ernstem Ton.
Am liebsten hätte ich schon am Telefon gesagt, wie der Hase läuft, aber das sparte ich mir lieber für später auf. Schließlich wollte ich auch den Boss von diesen Kriminellen kennenlernen.
„Hallo Duke. Ja. Ich habe alles. Wo soll ich heute Abend hinkommen?“
„Ich schicke dir die Adresse per SMS auf das Handy, 15 Minuten bevor wir uns treffen. Verstanden?“
„Ja, alles klar“, sagte ich.
„Gut, bis dann.“
Er legte direkt auf.
„Das scheinen wirklich Profis zu sein“, sagte Bruno.
„Wie kommst du jetzt darauf?“, fragte ich mit gerunzelter Stirn.
„Die wollen sicher sein, dass du den Ort an dem ihr euch trefft, zum ersten mal siehst. Deshalb schicken sie dir die Adresse erst kurz vorher. Laien würden an sowas gar nicht denken“, sagte Bruno.
Ich war wirklich froh Bruno an meiner Seite zu haben. Ihn konnte man nicht so schnell verarschen oder aufs Kreuz legen. Und er kannte das kriminelle Milieu besser als ich. Er konnte mit den Leuten umgehen. Es war ein großer Vorteil, dass die nicht wussten, dass ich Bruno dabei hatte. Ich musste nur aufpassen, dass Bruno nicht die Kontrolle über sich verliert. Ich wollte am Ende einfach nur lebend aus der Sache raus kommen und nicht Millionär werden durch illegalen Drogenhandel. Ich hatte doch sowieso genug Geld. Bruno bekam leider nie genug, und das war die große Gefahr.
„Mach dir keine Sorgen, Louis. Wir werden denen heute Abend schon zeigen wie der Hase läuft“, sagte Bruno breit grinsend, während er ein volles Magazin in seine Pistole schob..
Fortsetzung folgt…
von Schlomo Goldbaum
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